Musik ist farbig.
Aber wie wird dies deutlich?

Für das Programm „FarbTöne“ hat das Vokalensemble vOkabile die ausgewählten
Werke nach ihrem Wortlaut einzelnen Farben zugeordnet. Die Farbtafeln, die zur Musik entstanden, bilden zu jedem einzelnen Lied ein farbiges Pendant.

Ich habe mich eingelassen auf das, was ich als Synästhetikerin sehe:
auf die Farbigkeit und die Weite eines Klanges, seine Dichte oder Durchlässigkeit, das
für mich sichtbar Bewegte, Verwobene oder Schwebende eines Rhythmus, die Tiefe
einer Klage, dunkle exzessive Komplexität und leuchtendes Lodern, vibrierende
Euphorie, fließende Stille.

Piena sorgeva la luna

Ildebrando Pizzetti (1880-1968)
Text: Manara Valgimigli (1876-1965)
nach Fragmenten von Sappho

Piena sorgeva la luna;
e intorno all’ara le fanciulle stettero
Intorno all’amabile ara le fanciulle cretesi,
in cadenza, coi molli piedi danzavano,
leggermente sul tenero fiore dell’erba movendo.
Le stelle intorno alla bella luna
velano il volto lucente,
quando piena, al suo colmo, argentea,
splende su tutta la terra.

Voll ging der Mond auf
und rings um den Altar standen die Mädchen.
Um den lieben Altar herum tanzten die kretischen Mädchen
im Rhythmus mit ihren weichen Füßen,
leicht über die zarten Blumen der Wiese.
Die Sterne rings um den schönen Mond
bedecken ihr glänzendes Gesicht,
wenn er am höchsten Punkt silbern
über die ganze Erde strahlt.

Im Grünen, op. 59 No. 1

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
Text: Helmine von Chézy

Im Grün erwacht der Frische Mut,
wenn blau der Himmel blickt.
Im Grünen da geht alles gut,
was je das Herz bedrückt.

Was suchst‘ der Mauern engen Raum,
du töricht Menschenkind?
Komm, fühl hier unter’m grünen Baum,
wie süß die Lüfte sind.

Wie holde Kindlein spielt um dich
ihr Odem wunderlieb,
und nimmt all‘ deinen Gram mit sich,
du weißt nicht wo er blieb.

Fyer, fyer!

Thomas Morley (1557-1602)

Fyer, fyer! My heart!
O help! Alas! Ay me!
I sit and cry me,
And call for help, alas,
but none comes nigh me!

Feuer, Feuer! Mein Herz!
Zu Hilfe! Ach! Oh weh!
Ich sitze und schrei
und rufe nach Hilfe, aber ach,
niemand kommt zu mir!

Nach grüner Farb mein Herz verlangt

Michael Praetorius (1571-1621)

Nach grüner Farb mein Herz verlangt
in dieser trüben Zeit,
der grimmig Winter währt so lang,
der Weg ist mir verschneit.
Die süßen Vöglein jung und alt,
die hört man lang nit meh;
das tut des argen Winters Gwalt,
die treibt die Vöglein aus dem Wald
mit Reif und kaltem Schnee.

Er macht die bunten Blümlein fahl
im Wald und auf der Heid,
dem Laub und Gras allüberall,
dem hat er widerseit.
All Freud und Lust wird jetzo feil,
die uns der Sommer bringt.
Gott geb dem Sommer Glück und Heil,
der zieht nach Mittentag am Seil,
dass er den Winter zwingt.

Hallelujah!

Robert Sund (*1942)
Text: Leo Robin (1900-1984)
and Clifford Grey (1887-1941)

I’m recallin‘ the times when I was small,
in light and free jubilee days.
Old folks prayin‘, ev’rybody swayin‘,
Loudly, I chanted my praise
How I sang about the Judgement morn
and of Gabriel tootin´in his horn.
In that sunny land of milk and honey,
I had no complaints, while I thought of saints.

So I say to all who feel forlorn:
Sing „Hallelujah! Hallelujah!“
and you’ll shoo the blues away.
When cares pursue ya, “ Hallelujah“
gets you through the darkest day.
Satan lies awaitin‘ and creatin‘ skies of grey, but „Hallelujah! Hallelujah!“
helps to shoo the clouds away.
Sing „Hallelujah! Hallelujah!“
Helps to shoo the clouds away.

Auringon noustessa,
op. 11 No. 3

Toivo Kuula (1883-1918)
Text: V.A. Koskenniemi (1885-1962)

Nää, oi mun sieluni, auringon korkea nousu / ylitse kivisen kaupungin kattojen, katuin, / ylitse vuossatain valheen ja tuntien tuskan koittava kirkkaus!

Nää, oi mun sieluni, katoovan elämän autuus! / Niinkuin ääretön temppeli on se sun eessäs, / alla sen holvien on ikiaikojen äänetön hartaus mestarin hengen.

Nää, oi mun sieluni, yössäkin korkehin kirkkaus, / tuskassa tummien hetkien rauha ja riemu, / vuossatain valheessa, elämän valheessa valkein, iäisin totuus!

Bei Sonnenaufgang
Sieh, meine Seele, den Sonnenaufgang, Über den Dächern und Straßen der steinernen Stadt, / Über Jahrhunderte der Lügen und Stunden des Schmerzes erstrahlt der Morgen.

Sieh, meine Seele, den Segen unserer sterblichen Tage! / Wie ein unendlicher Tempel steht er vor dir, / in seinen Gewölben liegt die ewige fromme Stille des Geistes des Herrn.

Sieh, meine Seele, in der dunkelsten Nacht das große Strahlen, / in den dunkelsten Momenten des Schmerzes den Frieden und die Freude, / in Jahrhunderten der Lügen, in einem Leben der Lügen die reinste, ewige Wahrheit!

A boy and a girl

Eric Whitacre (*1970)
Text Octavio Paz (1914-1998)

Stretched out on the grass
a boy and a girl
savoring their oranges
giving their kisses like waves exchanging foam.
Stretched out on the beach
a boy and a girl
savoring their limes
giving their kisses like clouds exchanging foam.
Stretched out underground
a boy and a girl
saying nothing never kissing
giving silence for silence.

Come unto these yellow sands

Christopher Brown (*1953)
Text: William Shakespeare (1564-1616)

Come unto these yellow sands,
Then take hands:
Curtsied when you have, and kiss’d,
The wild waves whist:
Foot it featly here and there;
And, sweet sprites, the burden bear.
Hark, hark!
Bow-wow.
The watch-dogs bark;
Bow-wow.
Hark, hark!
I hear the strain of strutting chanticleer
Cry, Cock-a-diddle dow.

Frühlingsblick, op. 39 No. 3

Max Reger (1873-1916)
Text: Nikolaus Lenau (1802-1850)

Durch den Wald, den dunkeln,
geht holde Frühlingsmorgenstunde,
durch den Wald vom Himmel weht
eine leise Liebeskunde.

Selig lauscht der grüne Baum,
und er taucht mit allen Zweigen
in den schönen Frühlingstraum,
in den vollen Lebensreigen.

Blüht ein Blümlein irgendwo,
wird’s vom hellen Tau getränket,
das einsame zittert froh,
dass der Himmel sein gedenket.


The Blue Bird

Sir Charles.V. Stanford (1852-1924)
Text: Mary Coleridge (1861-1907)

The lake lay blue below the hill,
O’er it, as I looked, there flew
Across the waters, cold and still,
A bird whose wings were palest blue.

The sky above was blue at last,
The sky beneath me blue in blue,
A moment, ere the bird had passed,
It caught his image as he flew.

Blau lag der See am Fuße des Berges.
Als ich aufsah, flog über das kalte, ruhige Wasser / ein Vogel, dessen Schwingen von blassestem Blau waren.

Der Himmel über mir war endlich blau,
der Himmel unter mir war Blau in Blau;
Kurz bevor der Vogel vorübergezogen war / war sein Bild im Fluge eingefangen.
Blau lag der See am Fuße des Berges.

Warning to the rich

Thomas Jennefelt (*1954)
Text: Jakob 5:1-6, 4:9

Come on you wealthy, weep and cry about the miseries that are coming upon you.

Your hoarded wealth has decayed and your clothes have become moth-eaten. Your gold and silver are covered with rust and the rust shall be evidence against you and as fire it will consume your flesh. See! The pay of the workmen that mowed your fields, the pay which you withheld from them is crying out and the cries of the reapers have entered the ears of the Lord!

You have been living an easy live on the earth, you have given yourselves upon to pleasures, you have condemned. And you have murdered the upright. Be miserable and grieve, be miserable and cry. Let your enjoyment be turned to dejection and your laughing to sorrow. Come on you wealthy!

Der Wassermann

Robert Schumann (1810-1856)
Text: Justinus Kerner (1786-1862)

Es war in des Maien mildem Glanz,
Da hielten die Jungfern von Tübingen Tanz.

Sie tanzten und tanzten wohl allzumal
Um eine Linde im grünen Tal.

Ein fremder Jüngling, in stolzem Kleid,
Sich wandte bald zu der schönsten Maid.

Er reicht ihr dar die Hände zum Tanz,
Er setzt ihr auf’s Haar einen meergrünen Kranz.

„O Jüngling! warum ist so kalt dein Arm?“
„In Neckars Tiefen da ist’s nicht warm.“

„O Jüngling! warum ist so bleich deine Hand?“
„Ins Wasser dringt nicht der Sonne Brand!“

Er tanzt mit ihr von der Linde weit:
„Lass‘, Jüngling! horch, die Mutter mir schreit!“

Er tanzt mit ihr den Neckar entlang:
„Lass‘, Jüngling! weh! mir wird so bang!“

Er fasst sie fest um den schlanken Leib:
„Schön‘ Maid, du bist des Wassermann’s Weib!“

Er tanzt mit ihr in die Wellen hinein:
„O Vater und du, o Mutter mein!“

Er führt sie in seinen krystallenen Saal:
„Ade, ihr Schwestern all zumal!“

Effortlessly Love flows

Aaron Jay Kernis (*1960)
Text: Mechthild of Magdeburg

Effortlessly, Love flows from God into Man, like a bird who rivers the air
without spreading her wings.
Thus we move in His world,
One in body and soul.
As the Source strikes the note
Humanity sings.
Effortless, effortlessly.
The Holy Spirit is our harpist,
and all strings which are touched in Love
must sound. Effortlessly love flows from God into Man.
Effortlessly.

Mühelos fließt die Liebe von Gott zum
Menschen, wie ein Vogel, der durch die Luft gleitet, ohne seine Flügel auszubreiten.
So bewegen wir uns in Seiner Welt,
eins in Körper und Seele.
Wenn die Quelle den Ton anschlägt,
singt die Menschheit.
Mühelos, mühelos.
Der Heilige Geist spielt auf unserer Harfe, und alle Saiten, die er in Liebe anschlägt, müssen erklingen.
Mühelos fließt die Liebe von Gott zum
Menschen.
Mühelos.

Sügismaastikud

Veljo Tormis (*1930)

1 On hilissuvi
Ja lõhnab angervaks ja tulilill ja ohakas.
On hilissuvi, on hilissuvi.
Ja pihlapuus on marjakobar,
ja mänikus on kanarbik.
Ja seda suve ei tule enam ei tule enam seda suve.

Es ist Spätsommer.
Und es duftet der Johannisstrauch
und die Feuerblume
und die Distel.
Es ist Spätsommer.
Und die Eberesche
trägt Beerentrauben.
Im Föhrenwalde
blüht Heidekraut.
Und dieser Sommer
kehrt nie mehr wieder.

7 Kanarbik
Kurb lilla kanarbik meeletult lõõskab,
päikese viimane virvendus silmis.
Muidu kõik on kui ikka,
need samad on nurmed,
need samad on teed,
ainult nende peal põleb,
nende peal põleb,
maailma suurune leek.

Trauriges lila Heidekraut
glüht fassungslos,
letztes Geflimmer der Sonne im Auge.
Sonst ist es wie immer:
Die gleichen Fluren,
die gleichen Wege,
nur loht über ihnen
die Flamme, groß wie die Welt.

Quatre petites prières de Saint François d’Assise

Francis Poulenc (1899 – 1963)
Vier kurze Gebete des Franz von Assisi

2
Tout puissant, très saint, très haut et souverain Dieu;
souverain bien, bien universel, bien total;
toi qui seul es bon;
puissions-nous te rendre toute louange,
toute gloire, toute reconnaissance, tout honneur, toute bénédiction;
puissions-nous rapporter toujours à toi tous les biens. Amen.

Allmächtiger, heiliger, höchster und herrschender Gott;
guter Herrscher, allumfassend Guter, gänzlich Guter;
Dir, dem einzig Guten;
könnten wir Dir jeden Lobpreis bringen,
jeden Ruhm, jede Dankbarkeit, jede Ehre, jede Segnung;
könnten wir Dir immerdar alles Gute darbringen. Amen.

3
Seigneur, je vous en prie, que la force brûlante et douce de votre amour
absorbe mon âme et la retire de tout ce qui est sous le ciel
afin que je meure par amour de votre amour,
puisque vous avez daigné mourir par amour de mon amour.

Herr, ich bitte Dich, dass die brennende und sanfte Kraft Deiner Liebe
meine Seele aufnimmt und von allem befreit, was unter dem Himmel ist,
damit ich Deiner Liebe vor Liebe sterbe,
da Du die Güte hast meiner Liebe vor Liebe zu sterben.

Lord, how long wilt Thou be angry

Henry Purcell (1659-1695)

Lord, how long wilt Thou be angry?
Shall Thy jealousy burn like fire forever?

O remember not our old sins,
but have mercy upon us, and that soon
for we are come to great misery.

Help us O God of our Salvation
for the glory of Thy Name:
O deliver us and be merciful unto our sins for Thy Name’s sake.

So we that are Thy people,
and the sheep of Thy pasture,
shall give Thee thanks for ever
and will alway be shewing forth Thy praise, from one generation to another.

(Luther, Fassung von 1912)
HERR, wie lange willst du so gar zürnen
und deinen Eifer wie Feuer brennen lassen?
Gedenke nicht unsrer vorigen Missetaten; erbarme dich unser bald,
denn wir sind sehr dünn geworden.
Hilf du uns, Gott, unser Helfer,
um deines Namens Ehre willen; errette uns und vergib uns unsre Sünden um deines Namens willen!
Wir aber, dein Volk und Schafe deiner Weide, werden dir danken ewiglich
und verkündigen deinen Ruhm für und für.

malerei