Will ich einen Walhai zeichnen, eine uralte Meeresschildkröte …
Mein Weg ging als ausgebildete Bildhauerin von der farbig gefassten Skulptur und farbigen Räumen und Installationen zur Farbe der Malerei, und von dort, der freien schwebenden Farbtiefe der Leinwand, dem malerisch imaginären Raum, zur Erzählung, zur Illustration. Ich sah mich um und sah, dass ich immer schon illustriert hatte: in Stein, in Holz und Rinde, in Papierguss und Keramik, in Acryl, mit Tusche und Finelinern. Auf Leinwand, in Glasuren, auf Papier, Beton, auf Wänden. Angekommen bin ich bei Gouache und diesen wunderbaren Karisma-Buntstiften.
Will ich einen Walhai zeichnen, eine uralte Meeresschildkröte, einen schluchzenden Schauspieler oder ein träumendes Kind, versuche ich zu empfinden, wie es sich anfühlt, sich so durchs flüssige Blau zu bewegen, sich durch die Mimiken fremder Gefühle zu pflügen oder zu sein, was man träumt, ohne zu wissen, was das ist. Die Empathie führt den Stift, den Pinsel, die Augen und die Hand, egal was ich tue. Wenn ich in einer freien Wandzeichnung eine ganze Wand um eine Skulptur herum mit organoiden Formen überziehe, muss ich mich auf meine Hand verlassen können, wie ein Bäcker, ein Musiker, wie eine, die einen streunenden Hund aufs Blatt wirft.
Wenn ich einen Text lese, über etwas nachdenke, etwas erzählen oder zeigen soll, versuche ich mir dabei genau zuzuhören, genau hinzusehen, was ich sehe. Bis ich es so aufs Papier bringen kann, wie ich es gesehen habe. Wenn ich dazu Abbildungen suche, Fotos, die als Vorlagen dienen könnten, dann sehe ich sie so lange an, bis ich spüre oder sehe, wie sie gezeichnet werden wollen. Oder wie sie zusammengefügt werden wollen, um zum Sprechen zu kommen. Und wenn es ganz still ist – eine Stille, die manchmal aus Musik besteht – und ich ganz geduldig bin und vergesse, was ich will, dann zeichnen sie sich von selbst.